Mitteilungspflicht des Kunden bei Entnahme von Energie aus dem Versorgungsnetz / Unterlassene Mitteilung der Energieentnahme – Amtsgericht Stuttgart 4 C 3764/08

Vertragsschluss Versorgungsvertrag / Mitteilungspflicht des Kunden bei Entnahme von Energie aus dem Versorgungsnetz / Unterlassene Mitteilung der Energieentnahme / Verjährungsfrist des Versorgungsvertrags / Fälligkeit Ansprüche aus Rechnungen der Versorgungsunternehmen

  • Energieversorgungsverträge iSd § 2 GasGVV können auch ohne ausdrücklich artikulierte Willenserklärung allein durch die Entnahme von Energie aus dem Verteilernetz zustande kommen.
  • Bei Entnahme von Energie aus dem Versorgungsnetz ist der Kunde nach § 2 Abs. 2 GasGVV verpflichtet, die Entnahme unverzüglich in Textform dem Grundversorger anzuzeigen.
  • Bei verspäteter in Rechnung Stellung der Energieentnahme aufgrund der Nichtanzeige durch den Kunden, ist dies dem Kunden und nicht dem Energieversorgungsunternehmen zuzurechnen.
  • Die Verjährungsfrist aus Versorgungsverträgen beträgt gern. § 195 BGB 3 Jahre.
  • Für den Beginn der Verjährungsfrist ist grundsätzlich der Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs von Bedeutung. In § 27 Abs. 1 AVBGasV (jetzt: § 17 GasGVV) ist die für den Verjährungsbeginn entscheidende Fälligkeit geregelt. Danach knüpft die Fälligkeit und damit das Entstehen der Ansprüche aus den Rechnungen der Versorgungsunternehmen und somit auch der Beginn der Verjährung an den Zeitpunkt an, in welchem das Versorgungsunternehmen die Abrechnung erteilt hat und nicht an den Zeitpunkt in welchem die Rechnungen hätten erteilt werden können.

ein Beitrag von Rechtsanwalt Konstantinos Paliakoudis – Stuttgart

 



Das nachfolgende Urteil wurde vom Amtsgericht Stuttgart am 03.12.2008 erlassen.

Die vom Amtsgericht Stuttgart angewandten Vorschriften der AVBGasV können aufgrund ihrer Gleichheit bzw. Ähnlichkeit zu den Vorschriften der StromGVV, GasGVV und AVBWasserV entsprechend angewandt werden.


Amtsgericht Stuttgart

70190 Stuttgart

4 C 3764/08

Verkündet am

03.12.08

Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In Sachen

Energieversorgungsunternehmen

– Klägerin –

gegen

M.B.

– Beklagter –

wegen Forderung hat das Amtsgericht Stuttgart durch Richterin am Amtsgericht M. im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatznachlass bis zum 20.11.2008

für R E C H T erkannt:

  1. Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 1.165,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.06.2006 und 4 Euro Mahnkosten zu bezahlen.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein Versorgungsunternehmen, belieferte den Beklagten in Musterstadt, Musterstrasse 100 in dem Zeitraum 15.06.2003 bis 31.03.2005 mit Gas. Da der Beklagte die Gasentnahme der Klägerin nicht anzeigte, erfolgte diese ohne Kenntnis der Klägerin. Nach zufälliger Kenntniserlangung übersandte die Klägerin dem Beklagten am 30.01.2006 eine Rechnung in Höhe von insgesamt 1.165,43 Euro, unter Setzung eines Zahlungszieles bis zum 15.02.2006. Nachdem der Beklagte nicht zahlte, mahnte die Klägerin den Betrag mehrmals an, letztmalig am 12.06.2006. Hierfür macht die Klägerin Mahnkosten in Höhe von 4 Euro geltend. Die Klägerin bestreitet eine Zahlung seitens des Beklagten.

Die Klägerin beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 1.165,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.02.2006 und 4 Euro Mahnkosten zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt:

Klageabweisung

Er trägt vor, dass zwischen ihm und der Klägerin hinsichtlich der Gaslieferung gar kein Liefervertrag bestand. Vielmehr habe er entsprechend seines Mietvertrages (auch) für die Gaslieferung der Klägerin an den Vermieter eine Abschlagszahlung in Höhe von 68,00 EUR bezahlt. Er erhebt gegen die für den Zeitraum 15.06.2003 bis 31.12.2003 geltend gemachten Versorgungsansprüche der Klägerin den Einwand Verjährung und der Verwirkung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidunqsqründe:

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

1.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Stuttgart ergibt sich aus § 29 ZPO.

2.

Der Klägerin steht aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Versorgungsvertrages für den Zeitraum vom 15.06.2003 bis 31.03.2005 ein Entgeltsanspruch gegen den Beklagten in geltend gemachter Höhe zu. Zwischen den Parteien ist zwar kein schriftlicher oder ausdrücklicher Versorgungsvertrag geschlossen worden, Energieversorgungsverträge können jedoch auch ohne ausdrücklich artikulierte Willenserklärung allein durch die Entnahme von Energie aus dem Verteilernetz zustande kommen. Dies war vorliegend der Fall. Unstreitig hat der Beklagte Gas von der Klägerin bezogen; da auch kein anderes ausdrückliches Vertragsverhältnis der Klägerin hinsichtlich der Gasversorgung mit dem Vermieter bestand, welches gegebenenfalls vorrangig gewesen wäre, ist zwischen den Parteien durch die Gasentnahme seitens des Beklagten ein Versorgungsvertrag geschlossen worden. Weder der von dem Beklagten geltend gemachte Einwand der Verjährung, der Verwirkung noch der der Erfüllung greift durch. Der für das Jahr 2003 geltend gemachte Versorgungsanspruch ist nicht verjährt. Die Dauer der Verjährungsfrist richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen des BGB. Die Verjährungsfrist beträgt somit gern. § 195 BGB 3 Jahre. Für den Beginn der Verjährungsfrist ist grundsätzlich der Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs von Bedeutung. Vorliegend ist im § 27 Abs. 1 AVB Gas V die für den Verjährungsbeginn entscheidende Fälligkeit geregelt. Danach knüpft die Fälligkeit und damit das Entstehen der Ansprüche aus den Rechnungen der Klägerin und somit auch der Beginn der Verjährung an den Zeitpunkt an, in welchem das Versorgungsunternehmen die Abrechnung erteilt hat und nicht an den Zeitpunkt in welchem die Rechnungen hätten erteilt werden können. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach bei Ansprüchen mit hinausgeschobenen, von der Disposition des Gläubigers abhängiger Fälligkeit die Verjährung mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Gläubiger die Fälligkeit selbst hätte herbeiführen können, besteht nicht (vergleiche BGH, Urteil vom 22.10.1986). Somit ist entsprechend § 27 AVB die Fälligkeit der Forderung erst zwei Wochen nach Rechnungszustellung und somit am 15.02.2006 eingetreten. Die Verjährung wäre somit erst zum 31.12.2009 eingetreten.

Der Einwand der Verjährung greift daher nicht durch.

b)

Auch eine Verwirkung der Ansprüche ist nicht eingetreten.

Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend macht. Die Klägerin hat nach unbestrittenem Vortrag erst am 12.01.05 von der Gasentnahme Kenntnis erlangt. Sie hat sodann innerhalb des Zeitrahmens von § 24 AVBGasV die Rechnung erstellt. Dass diese Rechnung sich auch auf einen Zeitraum bezog der über ein Jahr zurücklag ist nicht der Klägerin sondern dem Beklagten zuzurechnen, der entgegen § 2 Abs. 2 AVBGasV die Gasentnahme der Klägerin nicht mitgeteilt hat. Zwar mag der Beklagte guten Glaubens gewesen sein, aufgrund Ziffer 2 seines Mietvertrages die Gaskosten durch Zahlung an seinen Vermieter bereits beglichen zu haben und somit keiner Mitteilungspflicht zu unterliegen, diesen Irrtum kann der Beklagte jedoch nunmehr nicht der Klägerin anlasten. Die Klägerin kann nicht für Unklarheiten bzw. Missverständnisse in dem Mietverhältnis des Beklagten zu seinem Vermieter bzw. für etwaige Versäumnisse seines Vermieters verantwortlich gemacht werden. Da die Klägerin keine Kenntnis von der Gasentnahme hatte und ohne Mitteilung auch nicht hatte haben können, durfte sich der Beklagte aufgrund des Untätigseins der Klägerin nicht darauf einstellen, das diese keine Forderungen mehr geltend machen würde .

c)

Der Beklagte hat auch keinen Beweis für die von ihm behaupteten Zahlungen angeboten; vielmehr ergibt sich aus den weiteren Schriftsätzen des Beklagten, dass die Zahlungen in Höhe von 68,00 EUR nicht an die Klägerin sondern an den Vermieter erfolgten. Zahlungen an den Vermieter befreien den Beklagten indes nicht.

3.

Zinsen kann die Klägerin ab dem Zeitpunkt der ersten Mahnung geltend machen,

Durch die einseitige Fristsetzung tritt ein Verzugseintritt gemäß § 286 Ahs, 2 S. 1 BGB nicht ein (vergleiche BGH in NJW 2008, Seite 50).

Da substantiiert mit Datumsangabe erst die Mahnung vom 12.06.2008 von der Klägerin dargelegt wurde, sind Zinsen in geltend gemachter Höhe ab dem 14.06.2006 gern. § 286 Ahs. 1, 288 Abs. 1 BGB von dem Beklagten zu zahlen. Da der Beklagte jedoch unstreitig schon vorher gemahnt wurde, kann die Klägerin 4 Euro Mahnkosten für diese Schreiben als Verzugsschaden gern. 280 Abs. 2 in Verbindung mit § 286 BGB von dem Beklagten ersetzt verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO; Die Zuvielforderung hinsichtlich der Zinsen war relativ geringfügig und verursachte keine besonderen Kosten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

gez. M.

Richterin am Amtsgericht

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