Aufrechnungsverbot/Zähler/Einwendungen: LG Stuttgart Az: 2 O 188/10

1. Gemäß § 17 Abs. 3 StromGVV kann gegen Ansprüche eines Grundversorgers nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden.

2. Im Sinne des § 8 StromGVV ist der Grundversorger zur Verbrauchsmessung berechtigt, geeichte Messeinrichtungen heranzuziehen.

3. Wenn und soweit diese Zähler geeicht sind, spricht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit ihrer Messungen.

4. Im Rahmen der Zahlungsklage eines Grundversorgers ist der Kunde mit seinen Einwendungen weitest gehend ausgeschlossen. Dies ist die Kehrseite des den Energieversorgern im Rahmen der Grundversorgung auferlegten Kontrahierungszwangs

Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29.03.2012 Az: 2 O 188/10

ein Beitrag von Rechtsanwalt Konstantinos Paliakoudis – Stuttgart

 

Landgericht Stuttgart

Urbanstr. 20

70182 Stuttgart

Az.: 2 O 188/10

Verkündet am 29.03.2012

 

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In Sachen

Energieversorger

Klägerin

gegen

Firma Beklagte S. ,

Beklagte

wegen Forderung

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2012 durch Richterin am Landgericht W. als Einzelrichter

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.618,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 4.545,72 Euro seit 17.07.2007, aus 528,46 Euro seit 03.06.2008 und aus weiteren 2.544,58 Euro seit 25.07.2008 zu bezahlen.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 7.638,76 Euro

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ansprüche aus Stromlieferungen für Baustrom.

Die Klägerin ist Energieversorgungsunternehmerin und Grundversorgerin. Die Beklagte ist ein Bauunternehmen.

Die Klägerin versorgte die Baustellen der Beklagten in der M. Straße, F. in der Zeit vom 10.07.2006 bis 15.06.2007 und vom 16.06.2007 bis 20.01.2008 mit

Baustrom. Für den erstgenannten Zeitraum erstellte sie am 29.06.2007 eine Rechnung in Höhe von 4.667,62 Euro (Anlage K 2, BI. 28). Für den zweitgenannten Zeitraum steilte sie am 09.07.2008 einen Betrag von 2.544,58 Euro in Rechnung (vgl. Anlage K3, in der der noch offene Betrag aus der Vorrechnung mit aufgeführt ist, BI. 34). Ferner versorgte die Klägerin die Baustelle der Beklagten in der S. Straße, D. in der Zeit vom 28.11.2007 bis 15.05.2008 mit Baustrom und stellte am 16.05.2008 für Stromverbräuche 414,70 EUR in Rechnung (vgl. Anlage K4, die dort aufgeführten Wiederinbetriebsetzungskosten macht die Klägerin im Prozess nicht geltend, BI. 38). Schließlich versorgte die Klägerin die Baustelle der Beklagten in der B Straße, P in der Zeit vom 28.01.2008 bis 14.05.2008 mit Baustrom und erstellte hierfür am 16.05.2008 eine Rechnung in Höhe von 133,76 Euro (Anlage K5, BI. 43, die Wiederinbetriebsetzungskosten werden im Prozess nicht geltend gemacht). Die jeweiligen Abschlagszahlungen der Beklagten waren in den Rechnungen bereits berücksichtigt.

Im Mai 2008, wohl am 16.05.2008 oder am 19.05.2008, erfolgte eine Zahlung der Beklagten in Höhe von 20,00 Euro auf die Verbrauchsstelle in der B Straße. in P., die die Klägerin auf von ihr in Höhe von 42,84 Euro geforderte Wiederinbetriebsetzungskosten anrechnete.

Mit Schreiben vom 08.08.2007, 22.08.2007, 04.02.2008 und zwei Schreiben vom 12.08.2008 mahnte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung der Stromrechnungen. Ferner versuchte die Klägerin am 14.01.2008 durch einen Beauftragten vergeblich, hinsichtlich der Abnahmestelle M. Straße, F. den geltend gemachten Betrag einzuziehen und die Energieversorgung unterbrechen zu lassen. Die Klägerin forderte die Beklagte des Weiteren am 30.10.2008 durch anwaltliches Schreiben unter Fristsetzung erneut zur Zahlung der Stromrechnungen sowie zur Zahlung der Kosten für die Mahnungen (jeweils 4,00 Euro), der Kosten für den Einzug der Forderung/Sperrkosten (36,00 Euro) und der Kosten der Inanspruchnahme der Rechtsanwälte (143,60 Euro) auf.

Am 27.10.2009 verzeichnete die Klägerin eine Zahlung der Beklagten in Höhe von 321,50 Euro. Die Klägerin rechnete hiervon 199,60 Euro auf die geltend gemachten Kosten und 121,90 Euro auf die Rechnung vom 29.06.2007 (Anlage K2) an.

Mit Schreiben vom 23.05.2011 verlangte die Beklagte eine Überprüfung des Stromzählers mit der Nr. 4368218, der den Strom an der Baustelle in der M. Straße, F. zählte. Der Stromzähler wurde Ende Januar 2008 ausgebaut, er war im Jahr 2003 geeicht worden und hatte eine Eichgültigkeit bis 31.12.2011. Nach Angaben des Netzbetreibers EnBW Regional AG wurde der Zähler im Jahr 2008 entsorgt.

Die Klägerin trägt vor,

ein Energieversorgungsunternehmen könne sich bei Verwendung geeichter Zähler auf die Richtigkeit der festgestellten Energiemenge berufen. Die Klägerin habe durch den Gebrauch eines geeichten Zählers alles ihr Mögliche getan, um eine ordnungsgemäße Verbrauchserfassung zu gewährleisten. Hingegen habe die Beklagte trotz Kenntnis der Zählerstände nicht innerhalb angemessener Frist eine Befundsprüfung verlangt. Hinsichtlich des Verzugseintritts beruft sich die Klägerin darauf, dass die Beklagte mit Ablauf des auf den Rechnungen jeweils angegebenen Fälligkeitsdatums ohne Mahnung in Verzug gekommen sei. Hinsichtlich der angegebenen Fälligkeitsdaten wird auf die Anlagen K2 – K5 verwiesen. Es werde von einer normalen Postlaufzeit von zwei Tagen ausgegangen, sodass zwischen Zugang der Rechnung und dem darin festgesetzten Eintritt der Fälligkeit jeweils mindestens zwei Wochen gelegen hätten. Die Verrechnung einer Zahlung von 20 EUR auf Wiederinbetriebsetzungskosten sei wegen § 367 BGB möglich gewesen, eine pauschale Berechnung von Wiederinbetriebsetzungskosten sei im Sinne des § 19 StromGVV erfolgt und ausreichend. Eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung sei schon wegen § 17 Abs. 3 StromGVV nicht möglich.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.638,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 4.545,72 Euro seit 17.07.2007, aus 548,46 Euro seit 03.06.2008 und aus weiteren 2.544,58 Euro seit 25.07.2008 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor,

dass der hinsichtlich der Baustelle in der M. Straße, F. abgerechnete Strom (Anlagen K2 und K3) nicht in dieser Menge tatsächlich verbraucht worden sei. Sie habe deshalb das Recht, die Zahlungen zurückzuhalten. Die Klägerin könne die Richtigkeit der Ablesungen und Messungen, nachdem nunmehr der Stromzähler vernichtet sei, nicht nachweisen. Die Beklagte geht davon aus, dass dieser Zähler fehlerhaft gemessen habe. Dies schließt sie daraus, dass ihr Tagesverbrauch im Vergleich zu ähnlichen Baustellen um ein 37faches höher gewesen sei. Sie gibt an, vergleichbare Baustellen, bei denen die gleichen Mitarbeiter der Beklagten tätig gewesen seien, weshalb der gleiche „Mitarbeiter Output“ erfolgt sei, hätten im täglichen Stromverbrauch etwa bei 0,87 kWh bis maximal 2,84 kWh gelegen. Zum Beweis hierfür legte sie die zu den jeweiligen Bauvorhaben ergangenen Stromrechnungen der Klägerin vor. Die Vergleichbarkeit der genannten Baustellen mit der Baustelle in der M. Str. in F. ergeben sich insbesondere auch daraus, dass es sich in allen Fällen um Wohnbebauung gehandelt habe, man habe Ein- oder Mehrfamilienhäuser gebaut, die im Ablauf nicht voneinander abweichen, außer, dass zum Teil Tiefgaragen gebaut worden seien und zum Teil nicht; dies sei aber nicht relevant, wenn die die Stromverbrauche pro umbauten m³ vergleiche: Wenn man den Stromverbrauch pro umbauten m³ vergleiche, sei dieser bei der Baustelle in F. doppelt so hoch gewesen, wie bei den anderen Baustellen. Der durchschnittliche Tagesverbrauch bei den übrigen Baustellen habe bei 11,84 kWh gelegen, bei der Baustelle in der M. Str. in F. bei 64 kWh.

Die Beklagte habe auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Richtigkeit des Zählerstandes beanstandet. Bereits mit einem Schreiben vom 15.05.2009 habe die Beklagte die Klägerin aufgefordert, den Zähler zur Baustelle M. Straße, F. überprüfen zu lassen. Eine Überprüfung sei nunmehr, nachdem der Netzbetreiber den Zähler bereits vernichtet hatte, unmöglich. Die Klägerin trage deshalb die volle Beweislast für die verbrauchte Strommenge in der M. Straße, F.

Die Beklagte behauptet ferner, dass die teilweise Verrechnung ihrer bei der Klägerin am 27.10.2009 eingegangenen Zahlung auf die Kosten unzulässig sei.

Des Weiteren beruft sich die Beklagte auf Verjährung. Sie behauptet, dass die Forderung für die Stromverbräuche aus dem Jahr 2006 verjährt sei, weil monatliche Abschlagszahlungen erfolgt seien und dann jeweils zum Ende einer Abrechnungsperiode, also im Zweifel bis zum Ende des Jahres, eine Ablesung hätte stattfinden sollen.

Des Weiteren erklärt die Beklagte die unbedingte Aufrechnung mit Forderungen aus Schadensersatz. Durch unberechtigte Stromabschaltungen der Klägerin habe die Beklagte eigene Stromaggregate auf diversen Baustellen aufstellen müssen. Durch die Stromabschaltung sei darüber hinaus ein erheblicher Schaden entstanden. Dadurch, dass ein Kran durch unvermitteltes Abschalten des Stroms beschädigt worden sei. Die Stromabschaltung durch die Klägerin sei grundlos erfolgt. Den Schaden beziffert die Beklagte auf 11.812,66 Euro.

Ferner trägt die Beklagte vor, dass das in § 17 Abs. 3 StromGVV enthaltene Aufrechnungsverbot hier nicht gelten könne. Die StromGVV gelte im Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht. Die Beklagte sei weder Haushaltskunde noch Ersatzversorgte. Eine Wirksamkeit der StromGVV sei auch nicht vertraglich vereinbart worden.

Die Klägerin erwidert hierzu,

die Beklagte sei hinsichtlich der Baustromlieferung für mehrere Baustellen in Zahlungsrückstand gewesen. Die Beklagte sei mehrfach ordnungsgemäß gemahnt worden und die Einstellung der Energieversorgung sei ihr mehrfach angekündigt worden. Deshalb sei die Stromabschaltung berechtigt gewesen. Eine Aufrechnung mit Schadensersatzforderungen komme schon wegen der Anwendung der StromGVV nicht in Betracht, es bestehe ein Aufrechnungsverbot, die Beklagte sei Haushaltskunde. Im Übrigen seien die Schadensersatzforderungen unsubstantiiert. Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und zum ganz überwiegenden Teil auch begründet. Die Klägerin hat gem. §§ 433, 453 BGB analog gegen die Beklagte Zahlungsansprüche in Höhe von 7.618,78 EUR aus den mit der Beklagten geschlossenen Stromlieferungsverträgen. Die Nebenforderungen der Klägerin sind ebenso berechtigt.

Eine Zahlung der Beklagten in Höhe von 20 EUR hat die Klägerin im Mai 2008 unstreitig erhalten; Abschlagszahlungen in dieser Höhe waren für Stromlieferungen für die B. Straße in P. vereinbart. Nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag war die Zahlung als Abschlagszahlung für den dortigen Stromverbrauch bestimmt. Eine Verrechnung auf etwaige Wiederinbetriebsetzungskosten kam wegen des Leistungsbestimmungsrechts der Beklagten gem. § 367 Abs. 2 BGB nicht in Betracht, die Klägerin hat die Zahlung angenommen.

Die Klägerin hat aber im Übrigen ihre Forderungen gegen die Beklagte jeweils schlüssig, den Anforderungen des § 16 StromGVV gerecht werdend, dargelegt. Dem konnte die Beklagte keine im Sinne des § 17 Abs. 1 StromGVV substantiierten Einwände entgegnen. Mit anderen Einwendungen ist sie im Rahmen der Zahlungsklage des Grundversorgers ausgeschlossen (vgl. zum Ganzen Steenbuck, MDR 2010, 357 ff.) Ebenso wenig konnte sie gegen die schlüssig dargelegten Forderungen mit Schadensersatzforderungen aus etwaigen unberechtigten Stromabschaltungen aufrechnen. Gem. § 17 Abs. 3 StromGVV wäre nur mit gerichtlich festgestellten oder unstreitigen Forderungen aufzurechnen gewesen; die Schadensersatzforderungen der Beklagten wurden von der Klägerin bestritten. Eine Widerklage hat die Beklagte nicht erhoben.

1.

Für die Stromlieferungen zwischen der Klägerin und der Beklagten gilt die StromGVV und zwar zum einen gegebenenfalls gem. § 3 StromGVV, zum anderen jedenfalls gem. § 2 StromGVV. Zwischen den Parteien kamen Verträge über die Lieferung von Baustrom zustande. Soweit zunächst ohne vertragliche Grundlage von der Beklagten Strom bezogen worden sein sollte, erfolgte der Strombezug gegebenenfalls nach § 38 EnWG im Rahmen der Ersatzversorgung, zu der der jeweilige Grundversorger, in diesem Fall die Klägerin, verpflichtet ist. Wenn und soweit auf ein Vertragsangebot in Gestalt einer sog. Realofferte durch das Energieunternehmen keine vertraglichen Veränderungen vom Stromkunden gewünscht und initiiert werden, wird das Vertragsangebot konkludent durch weiteren Bezug von Strom auf der Grundlage des Grundversorgungstarifs angenommen. Das Ersatzversorgungsverhältnis wird in ein Vertragsverhältnis übergeleitet (vgl. hierzu Dritz/Heliermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl. 2010, § 38 Rdn. 12). Im Rahmen der Ersatzversorgung gilt die StromGVV gem. deren § 3.

Die Beklagte ist aber auch Haushaltskunde im Sinne des § 2 StromGVV und des EnWG. Haushaltskunden sind gem. § 3 Nr. 22 EnWG Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für den einen Jahresverbrauch von 10.000 Kilowattstunden nicht übersteigenden Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke kaufen.

Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen und kauft für die Erstellung von Gebäuden bei der Klägerin Baustrom; dabei gingen die Vertragsparteien bei Beginn des Vertragsverhältnisses davon aus, dass die Menge von 10.000 kWh nicht überschritten werden würde, dies ist für die Einordnung der Beklagten als Haushaltskunde maßgeblich. Soweit im Nachhinein festgestellt werden musste, dass für die Baustelle in der M. Straße in F. größere Mengen Strom abgerechnet wurden, ändert dies jedenfalls nichts an der grundsätzlichen Erwartung der Vertragsparteien im Rahmen eines Haushaltsbedarfs Strom zu liefern und zu beziehen. Eine Vertragsanpassung nach Feststellen der nicht erwartet großen Strommenge, also nach Erstellung der ersten Rechnung am 29.06.2007, ist nicht erfolgt, so dass davon auszugehen ist, dass die Vertragsparteien mit der Fortsetzung des Liefervertrages zu gleich bleibenden Bedingungen einverstanden waren und auch im Weiteren ein Strombezug aufgrund StromGVV erfolgte (vgl. zum Ganzen Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl. 2010, § 36, Rdn. 23), selbst wenn dann grundsätzlich kein Grundversorgungsanspruch der Beklagten mehr bestanden haben mag. Aus diesen Stromlieferungsverträgen ergibt sich die Verpflichtung der Beklagten zur Entgeltzahlung in den jeweils in den Rechnungen angegebenen Höhen.

2.

a.) Die Klägerin legt in allen ihren Rechnungen, deren Zahlung mit dieser Klage verlangt wird (Anlage K 2 – K 5) Verbrauchszeiträume, kWh-Preise und Verbrauchsmessungen, sowie die Daten der Ablesungen klar und verständlich dar. Gegen die Rechnungen an den Verbrauchsstellen S. Straße, D. und B. Straße, P. bringt die Beklagte keine Einwände hinsichtlich der Höhe vor. Aber auch mit den Einwänden gegen die Rechnungen vom 29.06.2007 und vom 09.07.2008, die Verbrauchsstelle M. Straße, F. betreffend, kann sie im Rahmen der Zahlungsklage der Klägerin nicht gehört werden.

Die Klägerin ist berechtigt, zur Verbrauchsmessung geeichte Messeinrichtungen heranzuziehen, dies ergibt sich aus § 8 StromGVV. Diese stellt die Netzbetreiberin für die Klägerin bereit. Wenn und soweit diese Zähler geeicht sind, spricht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit ihrer Messungen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.11.2010, VIII ZR 112/10, NJW-SpeziaI 2011, 130). Dies war vorliegend der Fall, der verwendete Zähler Nr. 1111 war 2003 geeicht und besaß eine Eichgültigkeit bis 31.12.2011. Die Rechnungen vom 29.06.2007 und vom 09.07.2008, die Verbrauchsstelle M. Straße, F. betreffend, sind schlüssig und begründen die Forderungen der Klägerin in der angegebenen Höhe. Gem. § 17 Abs. 1 S. 1 StromGVV sind sie zum 16.07.2007 und zum 24.07.2008 auch fällig.

b.) Im Rahmen der Zahlungsklage eines Grundversorgers ist der Kunde mit seinen Einwendungen weitest gehend ausgeschlossen. Dies ist die Kehrseite des den Energieversorgern im Rahmen der Grundversorgung auferlegten Kontrahierungszwangs (vgl. hierzu Steenbuck, MDR 2010, 357 ff.) Letztlich sind hier allein die Einwände nach § 17 StromGVV relevant. Einwände im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 2 StromGVV sind von der Beklagten jedoch nicht substantiiert vorgebracht worden. Die Beklagte konnte weder substantiiert vortragen, dass die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 StromGVV) noch, dass in einer Rechnung der angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch aus einen vorherigen Abrechnungszeitraum ist, der Kunde ein Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt hat und diese Prüfung eine ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts nicht ergeben hat. (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 StromGVV)

Eine Zahlungsverweigerung aufgrund § 17 Abs. 1 Nr. 2 StromGVV scheidet für die Beklagte, die Baustrom für einen begrenzten Zeitraum bezog bereits aus. Bei der Versorgung mit Baustellenstrom handelt es sich nicht um eine längerfristige Verbrauchsstelle. Der Baustrom wurde zur Errichtung eines neuen Wohngebäudes benötigt, Verbrauchszahlen aus den Vorjahren konnte die Beklagte nicht anführen, um eine Abweichung vom „üblichen“ Verbrauch der gleichen Versorgungseinheit darzulegen. Ein Vergleich mit dem späteren Verbrauch aufgrund von Stromgeneratoren konnte nicht belegt werden.

Die Beklagte konnte auch nicht substantiiert darlegen, dass hinsichtlich der Rechnungen vom 29.06.2007 und 09.07.2008 die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 1 StromGVV gegeben sei. Im Gegensatz zur Vorgängerregelung (§ 30 AVBeltV) beschränkt die StromGVV die Einwände nicht auf „offensichtliche Fehler“, die nach der Rechtsprechung so geartet sein mussten, dass jedenfalls kein Sachverständigengutachten zu ihrem Nachweis erforderlich sein durfte (vgl. LG Berlin, Urt. V. 13.03.2003, 5 0 352/02, zit. n. juris). Nach der StromGVV berechtigt es zur Zahlungsverweigerung, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht.

Die Beklagte stützt ihre Folgerung, der Stromverbrauch sei falsch angezeigt worden, auf einen Vergleich mit anderen von ihr betriebenen Baustellen. Auch bei anderen Baustellen seien Wohngebäude zum Teil mit Mehrfamilienhäusern oder Einfamilienhäusern entstanden. Ein Verbrauch könne nicht in der Weise unterschiedlich sein, da die Beklagte immer mit der gleichen Anzahl von Mitarbeitern arbeite, die immer etwa den gleichen „Output“ hätten. Die Vergleichbarkeit im Stromverbrauch kann jedoch nicht am tatsächlichen Einsatz von Mitarbeitern hängen.

Maßgeblich sind die eingesetzten Stromnutzer. Dabei kann der Stromverbrauch pro umbauten Kubikmeter je nach Art etwa des konkret eingesetzten Kranes erheblich unterschiedlich sein, selbst wenn der jeweilige Kran jedes Mal vom gleichen Mitarbeiter bedient wird. Eine Vergleichbarkeit der Baustellen im speziellen Hinblick auf den Stromverbrauch wurde trotz entsprechenden Hinweises nicht nachvollziehbar dargestellt.

Selbst wenn also die StromGVV in § 17 Abs. 1 Nr. 1 im Vergleich zur alten Regelung der AVBeltV eine Erleichterung für den Stromkunden vorsieht, in dem er nur die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers und nicht den offensichtlichen Fehler darlegen muss, hat die Beklagte keine tatsächlichen Angaben geliefert, die dem Gericht diese ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers darlegen; nach den Angaben der Beklagten hätte auch ein Sachverständiger den Stromverbrauch an der streitigen Verbrauchsstelle mit dem Stromverbrauch an anderen Baustellen nicht vergleichen können.

Die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers der Rechnung besteht auch nicht schon darin, dass der Stromzähler inzwischen vernichtet ist und deshalb eine Kontrolle seiner Funktionsfähigkeit ausgeschlossen ist. Erst wenn und soweit die Beklagte ausreichend Tatsachen vorgetragen hätte, die die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers ergeben hätten, wäre die Klägerin möglicherweise in „Beweisnot“ geraten, da sie eine ordnungsgemäße Funktionsweise des Stromzählers jedenfalls nicht mehr hätte nachweisen können. Sie hätte dann auf § 18 Abs.1 StromGVV verwiesen werden müssen (vgl. zur GasGVV: OLG Köln, Beschl. v. 28.10.2011, 11 U 174/11, zit. n. juris).

Eine Beweisvereitelung zu Lasten der Beklagten stellt die Zerstörung des Zählers deshalb jedenfalls im Rahmen der Zahlungsklage der Klägerin schon nicht dar. Gem. § 8 Abs. 2 StromGVV ist die Klägerin grundsätzlich jederzeit verpflichtet, auf Verlangen des Kunden, hier der Beklagten, eine Nachprüfung der Messeinrichtungen durch eine Eichbehörde zu veranlassen. Eine Berechtigung für die Beklagte, die Zahlung zu verweigern, besteht jedoch im Rahmen der Zahlungsklage nur dann, wenn die Beklagte im Sinne des § 17 Abs. 1 StromGVV vortragen kann, dass die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers vorliegt. Dem weitgehenden und für das Privatrecht ungewohnten Einwendungsausschluss steht nicht die Gefahr einer einem Rückforderungsprozess etwa entgegenstehenden Rechtskraft dieser Entscheidung entgegen. Eine Prüfung von Anspruch und Einwendungen in getrennten Verfahren ist vom Gesetz gerade gewollt (Vgl. Steenbuck, MDR; 2010, 357 (360)) und kann deshalb auch nicht mit dem Rechtskraftargument ausgeschlossen werden.

Soweit die Beklagte die teilweise Anrechnung ihrer Zahlung vom 27.10.2009 auf die Kosten rügt, kann dem nicht gefolgt werden. Denn § 367 Abs. 1 BGB sieht zunächst eine Anrechnung auf die Kosten vor, eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung im Sinne des § 367 Abs. 2 BGB wird von der Beklagten schon nicht vorgetragen. Die Klägerin verlangt Kosten für vorgerichtliche Mahnungen in Höhe von 4 EUR, dies ist noch angemessen. Gem. § 17 Abs. 2 S. 2 StromGVV dürfen die Kosten pauschal berechnet werden, wenn dies den gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten Kosten nicht übersteigen, das ist hier nicht der Fall. Soweit sich die Beklagte gegen die Geltendmachung von Wiederanschaltkosten wendet, sei darauf verwiesen, dass diese im Prozess nicht geltend gemacht wurden.

c.) Der Zahlungsansprüche der Klägerin sind auch nicht verjährt. Die Zahlungsansprüche aus Stromlieferungsverträgen unterliegen der allgemeinen Verjährung vertraglicher Ansprüche nach § 195 BGB. Ein Anspruch verjährt gem. § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt. Der Anspruch ist entstanden, wenn er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann, Voraussetzung hierfür ist grundsätzlich die Fälligkeit eines Anspruchs (Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl. 2012, § 199 Rdn. 3). Gemäß § 17 StromGVV werden Rechnungen der Grundversorger frühestens 2 Wochen nach Zugang fällig. Die erste streitgegenständliche Rechnung ging dem Beklagten im Jahr 2007 zu, diese erfasste auch Verbräuche aus dem Jahr 2006, deren Verjährung allerdings erst mit Ablauf des 31.12.2007 begann. Nach Einleitung eines Mahnverfahrens im Jahr 2009 wurde das Verfahren am 15.12.2010 dem Streitgericht zugeleitet. Eine Verjährung war zu diesem Zeitpunkt auch unter außer Achtlassen möglicher Hemmungen während des Mahnverfahrens schon nicht eingetreten.

Wenn sich die Beklagte daran stört, dass eine Verbrauchsablesung und eine Abrechnung der Verbrauchsstelle M. Straße, F. nicht zum Jahresende 2006 erfolgt sei, kann eine derartige Verpflichtung der gesetzlichen Regelung nicht entnommen werden. Gem. § 12 StromGVV ist der Grundversorger gehalten, in selbstgewählten Zeitabschnitten, die jedoch zwölf Monate nicht wesentlich überschreiben dürfen, abzurechnen. Dies ist hier auch geschehen. Die im Juni 2006 eingerichtete Verbrauchsstelle für Baustellenstrom in der M. Straße in F. wurde zum Juni 2007 abgelesen und abgerechnet.

d.) Die Zahlungsforderungen der Klägerin konnten auch nicht durch Aufrechnung gem. §§ 387, 389 BGB erlöschen. Gemäß § 17 Abs. 3 StromGVV kann gegen Ansprüche eines Grundversorgers, der die Klägerin ist, nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden. Die Klägerin hat die Schadensersatzforderungen, die die Beklagte zur Aufrechnung stellt, bestritten. Die Schadenersatzforderungen sind nicht rechtskräftig festgestellt. Das Aufrechnungsverbot des § 17 Abs. 3 StromGVV gilt auch für Prozessaufrechnungen. Der Zweck der Norm liegt darin, den Grundversorger möglichst mit den nötigen Mitteln zum Betrieb der Stromversorgung zur Daseinsvorsorge auszustatten und deshalb eine schnelle Durchsetzbarkeit der Zahlungsforderungen sicherzustellen (OLG Schleswig Urt. v. 4.11.1998, NJW-RR 1999, 420 zur Regelung des § 31 AVBeltV, nach der Begründung zum Verordnungsentwurf zur StromGVV entspricht § 17 Abs. 3 StromGVV der Regelung des § 31 AVBeltV, BR-Drucks. 306/06, S. 38). Ob der Beklagten Schadensersatzforderungen zustehen, wird im Rahmen der Zahlungsklage der Klägerin nicht geklärt werden (vgl. zur Systematik Steenbuck, MDR 2010, 357 ff.).

3. Nebenforderungen

Die Beklagte ist mit der Erfüllung der Zahlungsansprüche der Klägerin in Verzug. Da die Klägerin infolge der Regelung in § 17 Abs. 1 StromGVV ein Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB im Hinblick auf den Fälligkeitszeitpunkt hat, und der von ihr genannte Fälligkeitszeitpunkt in den Rechnungen (Anlage K 2-5) i. S. v. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB kalendermäßig bestimmt war, geriet die Beklagte damit ab dem Folgetag des jeweils in den Rechnungen genannten Datums in Verzug, ohne dass es einer zusätzlichen Mahnung seitens der Klägerin bedurfte. Insofern kann die Klägerin von diesem Zeitpunkt an Verzugszinsen gegenüber der Beklagten geltend machen (LG Itzehoe, Urt. v. 19.07.2011, 1 S 28/11 zit. n. juris). Die Höhe der Verzugszinsen ergibt sich aus § 288 Abs.2 BGB. Die Klägerin hat in den Rechnungen vom 16.05.2008 (Anlage K 4 und K5, die die Verbrauchsstelle P. und D. betreffen) eine Leistungszeit bis zum 02.06.2008 bestimmt, Verzugszinsen sind ab dem 03.06.2008 geschuldet. Der Anspruch auf Verzugszinsen ist weitestgehend gegeben, er ist nur insofern zu kürzen, als eine Abschlagszahlung von 20 EUR, die von der Beklagten auf die Verbrauchstelle P. geleistet worden war, nicht berücksichtigt worden war. Die Klägerin hat mit der Rechnung vom 29.06.2007 (Anlage K 2) eine Leistungszeit bis 16.07.2007 bestimmt, ab dem 17.07.2007 war die Beklagte mit der Zahlung von 4.545,72 EUR in Verzug. Mit der Rechnung vom 09.07.2008 (Anlage K 3) bestimmte die Klägerin für die Forderung in Höhe von 2544,58 EUR eine Leistungszeit bis zum 24.07.2008. Ab dem 25.07.2008 war die Beklagte mit der Zahlung von 2544, 58 EUR in Verzug.

4.

Die Entscheidung zu den Kosten ergeht gem. § 91 ZPO. Die Klägerin unterliegt mit einem kleinen Teil ihrer Forderung, der für den Streitwert nicht maßgeblich ist und deshalb auch auf die Kostenentscheidung ohne Einfluss bleibt. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 709 ZPO.

Gez.

Richter

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