- Die Versorgung kann nach § 19 Abs. 2 StromGVV i.V.m. § 273 BGB eingestellt werden, wenn dem Versorgungsunternehmen aus demselben Vertragsverhältnis, auf dem seine Leistungs- oder Lieferpflicht beruht, ein fälliger Anspruch gegen den Gläubiger der Leistung oder Lieferung zusteht, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, sofern sich aus dem Schuldverhältnis etwas anderes ergibt (Zurückbehaltungsrecht).
- Im Gegensatz zu ihrem Wortlaut, aber im Einklang mit mit der Auslegung der Vorschrift in Rechtssprechung und Schrifttum ist die Regelung des § 273 BGB auch dann anwendbar, wenn es um die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten geht oder die wechselseitigen Ansprüche nicht in gegenseitiger Abhängigkeit stehen, zum Beispiel bei der Einstellung der Versorgung wegen Zahlungsrückständen aus anderen Vertragsverhältnissen, sofern zwischen diesen Verträgen ein innerer natürlicher wirtschaftlicher Zusammenhang, sog. Konnexität, besteht (BGH Urteil vom 03.07.1991, RdE 1991, 193).
- Der Anordnungsgrund zum Erlass einer einstweiligen Verfügung liegt nicht vor, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Antragsteller einen anderen Anbieter findet, der ihm den erforderlichen Strom liefert; denn durch die Liberalisierung des Energiemarktes muss davon ausgegangen werden, dass eine marktbeherrschende Stellung eines Energieversorgungsunternehmens nicht vorliegt.
ein Beitrag von Rechtsanwalt Konstantinos Paliakoudis – Stuttgart
Das nachfolgende Urteil wurde vom Amtsgericht Stuttgart am 03.06.2008 erlassen.
Die vom Amtsgericht Stuttgart angewandten Vorschriften der StromGVV können aufgrund ihrer Ähnlichkeit bzw. Gleichheit zu den Vorschriften der GasGVV und AVBWasserV entsprechend angewandt werden.
Amtsgericht Stuttgart
70190 Stuttgart
Geschäftszeichen: 10 C 2588/08
Verkündet am
3.6.2008
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In Sachen
EH. GmbH
– Antragstellerin –
gegen
Energieversorgungsunternehmen
– Antragsgegnerin –
wegen einstweiliger Verfügung
hat das Amtsgericht Stuttgart durch Richter am Amtsgericht Z. auf die mündliche Verhandlung vom 27.5.2008
für R E C H T erkannt:
- Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
- Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: 4.000,– EUR
TATBESTAND:
Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung wird die Versorgung der Antragstellerin mit Baustrom begehrt. Die Antragstellerin betreibt eine Rohbaufirma. Mit dieser Firma ist sie derzeit an verschiedenen Baustellen tätig. Die Antragsgegnerin versorgte diese Baustellen sowie andere Baustellen der Antragstellerin mit Baustrom. Mit Schreiben vom 07.05.2008 kündigte die Antragsgegnerin an, wegen eines Rückstandes von ca. 4.418,24 EUR die Stromversorgung am 14.05.2008 abzustellen. Diese erfolgte dann auch zum genannten Termin. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin auf, die Stromversorgung wiederherzustellen. Die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin sei Monopolanbieterin. Die Antragstellerin habe keinerlei Möglichkeit, Baustromanschluss über eine andere Firma zu erreichen. Die unmittelbare Wiederversorgung der Baustellen sei auch erforderlich, um eine fristgerechte Fortsetzung der Bauarbeiten zu ermöglichen. Eine Stromsperre sei nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte dann unzulässig, wenn sie als schikanös wirke. Vorliegend würden Baustromanschlüsse abgetrennt, für die keinerlei Rückstände bestehen würden. Worauf die Rückstände tatsächlich beruhen würden, ergebe sich aus den Aufstellungen der Antragsgegnerin nicht mit der erforderlichen Sicherheit. Ob die gemachten Ansprüche der Antragsgegnerin bestehen würden, sei also gar nicht nachgewiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Baustromversorgung für die Bauvorhaben der Antragsgegnerin Musterstrasse 5 sowie Musterstrasse 100 in Musterstadt wieder herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin behauptet, aus früheren Abnahmestellen hätte die Antragstellerin Zahlungsrückstände in Höhe von 14.987,79 EUR. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts wegen Zahlungsrückständen sei möglich, auch wenn es sich um Zahlungspflichten aus verschiedenen Verträgen handele, sofern zwischen diesen Verträgen nur die Konnexität zu bejahen sei. Die Antragsgegnerin habe mehrfach darauf hingewiesen, die Energieversorgung einzustellen. Der Energiemarkt weise seit längerer Zeit die Möglichkeit auf, Energieversorgungsverträge mit anderen Anbietern abzuschließen. Von einer Monopolstellung der Antragsgegnerin könne deshalb keine Rede sein.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Antragsgegnerin hat unstreitig in Musterstadt eine große Niederlassung. Insofern kann die Antragsgegnerin auch am Ort ihrer Niederlassung verklagt werden. Unabhängig davon mögen auch Gerichtsstände aus den Abnahmestellen herzuleiten sein. Diese triften aber im vorliegenden Fall auseinander, sodass ein Interesse an einem einheitlichen Gerichtsstand, nämlich der Niederlassung der Antragsgegnerin in Stuttgart, besteht. Die Antragstellerin begehrt die Stromversorgung. Das wirtschaftliche Interesse daran schätzt das Gericht auf ca. 4.000,– EUR. Insofern ist auch die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben.
Zwischen den Parteien bestehen Baustromversorgungsverträge für die Abnahmestellen der Bauvorhaben der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, die Einstellung der Stromversorgung aufzugeben. Die Antragsgegnerin trug vor, dass Forderungen der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin in Höhe von ca. 15.000,– EUR bestehen. Dabei sind zwei größere Rechnungen offen. Einmal ist es die Rechnung für die Musterstrasse 5 in Musterstadt. Hier wurde eine Jahresabrechnung von 5.323,62 EUR festgehalten. Mit monatlichen Abschlagszahlungen ergibt sich unter Berücksichtigung von geleisteten Zahlungen eine Forderung der Antragsgegnerin von 9.979,62 EUR. Ein weiterer größerer Posten ergibt sich aus dem Urteil des Amtsgerichts Esslingen vom 21.04.2008 über ca. 4.000,– EUR. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Somit ist festzustellen, dass erhebliche Zahlungsrückstände der Antragstellerin bestehen. Der Geschäftsführer der Klägerin behauptete im Termin der mündlichen Verhandlung, dass alle diese Forderungen ungerechtfertigt seien. Konkret konnte er jedoch nicht darlegen, auch nicht mal behaupten, worin die Fehlerhaftigkeit der Rechnungen begründet ist. Allein das Behaupten, dass die Forderungen der Antragsgegnerin ungerechtfertigt sei, reicht nicht aus. Hier hätte es schon genauer Darlegung bedurft, an welchem Mangel die Rechnungen leiden. Solche sind jedoch nicht ersichtlich. Nachdem zahlreiche Zahlungsrückstände bestehen, konnte die Antragsgegnerin die Versorgung nach § 19 Abs. 2 StromGVV i.V.m. § 273 BGB einstellen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sich die gegenüberstehenden Ansprüche auf demselben Rechtsverhältnis im engeren Sinne beruhen. Nach Auffassung des Gerichtes genügt es, wenn die Ansprüche aus Rechtsgeschäften hervorgegangen sind, die in einem natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Gerade vorliegend ist zu sehen, dass die Antragstellerin als Baufirma verschiedene Bauvorhaben betreibt und für diese gesonderte Verträge abschließt. In Wahrheit ist es aber die Antragstellerin selber, die für sich und ihre Mitarbeiter den Strom benötigt. Deshalb muss anerkannt werden, dass der zur Einstellung der Stromversorgung berechtigende Zahlungsrückstand auch grundsätzlich vorliegend aus den anderen und früheren Vertragsverhältnissen stammen kann.
Zweifel bestehen auch am Anordnungsgrund. Gerade in Zeiten der Erhöhung der Strompreise wird seitens der Regierung und der Verbraucherschutzverbände verstärkt darauf hingewiesen, dass zu prüfen sei, ob ein Wechsel der Stromanbieter vorzunehmen sei. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass bei der Liberalisierung des Energiemarktes die Antragstellerin noch andere Anbieter findet, die ihr den erforderlichen Strom liefern. Insofern kann von keiner marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin ausgegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 6, 711 ZPO.
gez. Z.
Richter am Amtsgericht
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