Gerichtsstand eines Versorgungsvertrages / Beweislast für die Kündigung eines Versorgungsvertrages / Einstellung des Gebrauchs von Energie ohne ordnungsgemäße Kündigung
- Der gemeinsame Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO ist für die beiderseitigen Verpflichtungen der Ort der Energieabnahme (Zöller/ Vollkommer, 25. AufI., § 29 Rdnr. 25).
- Der Kunde trägt die Beweislast für den Zugang eines Kündigungsschreibens, weil es sich diesbezüglich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne des § 130 BGB handelt. Es liegt im Verantwortungsbereich desjenigen, welcher sich auf den Zugang eines Schreibens berufen will, sicher zu stellen, dass ein solcher Zugang auch erfolgt ist.
- Für den Zugang solcher Sendungen im Einzelfall sind daher die Grundsatze über den Beweis des ersten Anscheins nicht anwendbar (BGH VersR 78, 671).
- Wird der Gebrauch von Energie vom Vertragspartner eines Energielieferungsvertrages ohne ordnungsgemäße Kündigung eingestellt, so haftet der Kunde dem Versorgungsunternehmen für die Bezahlung des Verbrauchs auch dann, wenn inzwischen ein Dritter die Leistungen des Versorgungsunternehmens in Anspruch genommen hat und Vertragspartner geworden ist (OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 889).
15.09.2010
ein Beitrag von Rechtsanwalt Theodoros Germalidis – Stuttgart
In der alten AVBEltV war der Gerichtsstand eines Versorgungsvertrages nicht ausdrücklich geregelt. In der neuen StromGVV ist der Gerichtsstand nun in § 22 StromGVV geregelt. Hiernach ist Gerichtsstand für die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Grundversorgungsvertrag der Ort der Energieentnahme durch den Kunden.
Das nachfolgende Urteil wurde vom Amtsgericht Freudenstadt am 02.04.2008 erlassen.
Die vom Amtsgericht Freudenstadt angewandten Vorschriften der AVBEltV können aufgrund ihrer Ähnlichkeit bzw. Gleichheit zu den Vorschriften der StromGVV und GasGVV entsprechend angewandt werden.
Amtsgericht Freudenstadt
72250 Freudenstadt
Geschäftszeichen: 5 C 466/07
Verkündet am Freudenstadt, den 02. April 2008
13.2.2008
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In Sachen
Energieversorger
– Klägerin –
gegen
GS.
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Freudenstadt durch Richterin C. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.01.2008
für R E C H T erkannt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 869,49 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 140,16 Euro seit dem 20.12.2005, sowie aus weiteren 869,49 Euro seit dem 19.01.2006 zu bezahlen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert beträgt 1.009,65 Euro bis zum 08.11.2007.
Der Streitwert beträgt 869,49 Euro seit dem 09.11.2007.
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aufgrund von Stromlieferungen in der Zeit vom 15.10.2004 bis zum 22.10.2005 in Höhe von 140,16 Euro und in Höhe von 869,49 Euro für Stromlieferungen im Zeitraum vom 23.10.2005 bis zum 01.01.2006 geltend.
Die Klägerin hat in den oben genannten Zeiträumen die Musterstrasse 100 in Musterstadt mit Strom versorgt. Den Stromverbrauch für den Zeitraum 15.10.2004 bis zum 22.10.2005 hat sie in der Jahresabrechnung vom 02.12.2005 über insgesamt 590,16 Euro abgerechnet. Hierauf hat die Beklagte 450,00 Euro geleistet. Der aus dieser Rechnung noch offene Betrag beträgt 140,16 Euro. Den Stromverbrauch für den Zeitraum vom 23.10.2005 bis zum 01.01.2006 hat die Klägerin der Beklagten mit Datum vom 03.01.2006 in Höhe von 869,49 Euro in Rechnung gestellt. Hierauf leistete die Beklagte keine Zahlungen.
Die Klägerin trägt vor, eine Kündigung seitens der Beklagten oder deren Vermieter sei der Klägerin nicht zugegangen. Erst am 02.01.2006 habe der neue Mieter Herr K. mit der Klägerin einen neuen Versorgungsvertrag abgeschlossen. Daher sei die Schlussrechnung für die Beklagte zum 01.01.2006 erfolgt.
Sie beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.009,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 140,16 Euro seit dem 20.12.2005, sowie aus weiteren 869,49 Euro seit dem 19.01.2006, zu bezahlen.
Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 08.10.2007 die Forderung der Klägerin in Höhe von 140,16 Euro anerkannt. Im Übrigen beantragt sie,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit und trägt vor, sie sei mit ihrer Familie aus der Wohnung in der Musterstrasse 100 in Musterstadt am 18.09.2007 ausgezogen. Die Wohnungsübergabe habe am 24. Oktober 2005 stattgefunden. Sie habe daher im Zeitraum vom 23.10.2005 bis zum 01.01.2006 keinen Strom der Klägerin verbraucht.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Akte vollumfänglich Bezug genommen. Die Beklagte wurde durch Teilanerkenntnisurteil vom 08. November 2007 zur Zahlung des anerkannten Betrages von 140,16 Euro verurteilt. Das Gericht hat sodann Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.01.2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Freudenstadt ist insbesondere gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig. Der gemeinsame Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO ist für die beiderseitigen Verpflichtungen der Ort der Energieabnahme (Zöller/ Vollkommer, 25. AufI., § 29 Rdnr. 25). Die streitgegenständliche Wohnung befindet sich in Musterstadt, Amtsgerichtsbezirk Freudenstadt.
II.
Die Klage ist begründet.
1.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Stromversorgungsvertrag in Höhe von 869,49 Euro zu.
Die Klägerin hat die Beklagte in ihrer damaligen Wohnung in der Musterstrasse in Musterstadt mit Strom versorgt. Hierdurch ist ein Versorgungsvertrag zustande gekommen, welcher zur Zahlung der Bezugsvergütung verpflichtet. Die Beklagte konnte den ihr obliegenden Beweis, sie habe den Versorgungsvertrag gekündigt und der Klägerin sei ein diesbezügliches Kündigungsschreiben zugegangen nicht erbringen. Die Beklagte trägt die Beweislast für den Zugang des Kündigungsschreibens, weil es sich diesbezüglich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne des § 130 BGB handelt. Diesbezüglich kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin in ihren Bedingungen eine qualifizierte Kündigungsform verlangt oder die einfache Schriftform ausreichen lässt. Es liegt im Verantwortungsbereich desjenigen, welcher sich auf den Zugang eines Schreibens berufen will, sicher zu stellen, dass ein solcher Zugang auch erfolgt ist.
a)
Das vorgelegte Schreiben der Beklagten vom 17.09.2005 konnte den erforderlichen Beweis, der Klägerin sei eine Kündigung der Beklagten zugegangen, nicht erbringen. Selbst wenn das Gericht das Schreiben als ein Kündigungsschreiben ansieht, kann dieses Schreiben lediglich bezeugen, dass es zum obigen Datum von der Beklagten erstellt wurde. Allerdings konnte abgesehen von einem Zugang dieses Schreibens bei der Klägerin, bereits schon die Aufgabe bei der Post nicht nachgewiesen werden. Jedenfalls hat der Zeuge B. ausgesagt, dass ihm dieses Schreiben gänzlich unbekannt sei.
b)
Der Beweis für den Zugang eines anderen Kündigungsschreibens konnte ebenfalls nicht erbracht werden. Allein der Nachweis, dass ein Kündigungsschreiben erstellt und zur Post gebracht bzw. in einen Postbriefkasten eingeworfen wurde, genügt hierzu nicht. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens kommt es auch unter normalen Postverhältnissen immer wieder vor, dass abgesandte gewöhnliche Briefe den Empfänger nicht erreichen. Für den Zugang solcher Sendungen im Einzelfall sind daher die Grundsatze über den Beweis des ersten Anscheins nicht anwendbar (BGH VersR 78, 671). Dementsprechend hat der Zeuge B. zwar erklärt, er habe am Tag des Auszugs mit der Beklagten gemeinsam den Strom abgelesen und dann ein entsprechendes Schreiben mit der Angabe des Zählerstandes und einer Umzugsmitteilung an die Klägerin geschickt bzw. in einen Postbriefkasten geworfen. Jedoch konnte er hiervon abgesehen keine weiteren relevanten Angaben machen. Somit bleibt offen, ob dieses Schreiben tatsächlich zugegangen ist. Eine Bestätigung über den Zugang einer Kündigung hat die Beklagte jedenfalls nicht erhalten.
c)
Es war weiter nicht erforderlich, für die Behauptung der Beklagten, man habe am 24.10.2005 den Strom abgelesen und die Wohnung sei dann im Anschluss aufwändig renoviert worden, den Zeugen F. zu laden. Es kommt weder darauf an, wann die Beklagte Strom abgelesen hat, noch ob die Wohnung nach Übergabe von einer dritten Person genutzt bzw. renoviert wurde. Entscheidend ist allein die ordnungsgemäße Beendigung des Vertragsverhältnisses. Der Vertragspartner eines Energielieferungsvertrages ist dem Versorgungsunternehmen bis zu seiner Kündigung ungeachtet dessen zahlungspflichtig, dass der Strom etwa von einem Dritten verbraucht worden ist. Wird der Gebrauch von Energie ohne ordnungsgemäße Kündigung eingestellt, so haftet der Kunde dem Versorgungsunternehmen für die Bezahlung des Verbrauchs auch dann, wenn inzwischen ein Dritter die Leistungen des Versorgungsunternehmens in Anspruch genommen hat und Vertragspartner geworden ist (OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 889) .
3.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 2 Nr. 2, 288 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 27 AVBEltV.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
C.
Richterin
Ausgefertigt.
Amtsgericht Freudenstadt 25.02.2008
© www.energierecht-blog.de
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.