Haushaltskunde / Energiemenge / EnWG / Ersatzversorgung StromGVV

  1. Voraussetzung für das Zustandekommen des Ersatzversorgungsvertrags ist nach § 38 EnWG lediglich, dass ein Letztverbraucher über das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck Energie bezieht, ohne dass dieser Bezug einer Lieferung oder einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden kann.
  2. Die weiteren Regelungen finden sich in der StromGVV, die gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 auch die Bedingungen der Ersatzversorgung nach § 38 EnWG regelt.

Landgericht Ravensburg Az. 703/15 KfH

ein Beitrag von Rechtsanwalt Konstantinos Paliakoudis – Stuttgart

Landgericht Ravensburg
Aktenzeichen:
703/15 KfH

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Energieversorger
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Paliakoudis & Kollegen, Tübinger Straße 13 – 15, 70178 Stuttgart,

gegen

Beklagter
Beklagter
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte RGPM
wegen Forderung

hat das Landgericht Ravensburg – 1. Kammer für Handelssachen – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht A. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2015 mit nachgelassenem
Schriftsatzrecht des Beklagten für Recht erkannt:

  1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.541,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 3.241,33 EUR seit 16.09.2011 und aus 4.300,05 EUR seit 18.10.2011 zu zahlen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Verweisung entstandenen Kosten.
  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 7.541,38 EUR

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Stromlieferungen geltend.
Die Klägerin ist ein Energielieferant. Der Beklagte ist seit 01.04.2011 Eigentümer des Grundstücks in YYY.

Die vormalige Eigentümerin des Grundstücks war von der Klägerin mit Strom beliefert worden. Nachdem die Klägerin die Stromlieferungen auch nach dem 01.04.2011 zunächst noch mit der vormaligen Eigentümerin abgerechnet hatte, teilte sie dem Beklagten mit Schreiben vom 31.05.2011 (Anl. K 6) mit, der Netzbetreiber habe die Klägerin als Ersatzversorger darüber informiert, dass der Beklagte seit 01.06.2011 elektrische Energie beziehe, die einem bestimmten Liefervertrag nicht zugeordnet werden könne. Die Belieferung im Rahmen der Ersatzversorgung sei auf drei Monate beschränkt. Sollte der Beklagte auch nach Beendigung der Ersatzversorgung elektrische Energie beziehen, ohne dass bis 29.07.2011 ein von ihm gewählter Lieferant der Klägerin die Beendigung der Ersatzversorgung mitgeteilt habe, gehe die Klägerin davon aus, dass der Beklagte weiterhin zu den Konditionen der Ersatzversorgung im Rahmen eines Vertrags versorgt werden möchte.
Die Klägerin lieferte von Juni 2011 bis Ende September 2011 elektrische Energie an die Abnahmestelle YYY, und stellte hierfür folgende Rechnungen an den Beklagten:
Rechnung vom 05.07.2011 (An I. K 7) für den Bezug von Strom im Zeitraum vom 01.06.2011 bis 30.06.2011 über 4.496,58 EUR.

  • Rechnung vom 02.08.2011 (An I. K 8) für den Bezug von Strom im Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.07.2011 über 5.258,84 EUR.
  • Rechnung vom 02.09.2011 (An I. K 3) für den Bezug von Strom im Zeitraum vom 01.08.2011 bis 31.08.2011 einschließlich einer Nachberechnung von 181,90 EUR für den Zeitraum vom 01.06.2011 bis 31.07.2011 über 5.674,23 EUR.
  • Rechnung vom 06.10.2011 (An I. K 4) für den Bezug von Strom im Zeitraum vom 01.09.2011 bis 30.09.2011 über 4.300,05 EUR.

Nach Anrechnung der vom Beklagten geleisteten Zahlungen sind aus der Rechnung vom 02.09.2011 noch 3.241,33 EUR und aus der Rechnung vom 06.10.2011 noch 4.300,05 EUR offen.
Die offenen Beträge von insgesamt 7.541,38 EUR macht die Klägerin mit der Klage geltend.
Ab 01.10.2011 versorgte die Fa. BBB als Lieferant die Abnahmestelle des Beklagten in YYY mit elektrischer Energie.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Klägerin habe den Beklagten im Zeitraum vom 01.06.2011 bis 30.09.2011 mit der in den Rechnungen dargestellten Verbrauchsmenge zum Ersatzversorgungstarif mit elektrischer Energie beliefert. Der Beklagte schulde daher den Ausgleich der noch offenen Rechnungsbeträge.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin an die Klägerin 7.541,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 3.241,33 EUR seit 16.09.2011 und aus 4.300,05 EUR seit 18.10.2011 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, die Klägerin könne sich nicht auf eine Grundversorgung des Beklagten berufen. Da der Klägerin bekannt gewesen sei, dass bereits der monatliche Stromverbrauch des Beklagten mit 16.000 kWh die für eine Einordnung als Haushaltskunden maßgebliche Verbrauchsmenge von 10.000 kWh jährlich weit übersteige, komme ein Kontrahierungszwang nicht in Betracht.
Zudem habe die Klägerin die von der Fa. BBB am 16.08.2011 vorgenommene Abmeldung des Beklagten am 24.08.2011 ohne Berechtigung abgelehnt, so dass die Belieferung der Abnahmestelle des Beklagten erst zum 01.10.2011 habe beginnen können. Der Beklagte müsse daher die Rechnung für den Monat August 2011 allenfalls zur Hälfte, die Rechnung für den Monat September 2011 nicht ausgleichen. Schließlich liege die Belieferung im September 2011 durch die Klägerin außerhalb des Zeitraums von drei Monaten, auf den die Ersatzversorgung beschränkt gewesen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die in der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2015 protokollierten Angaben (BI. 49/51 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung der erbrachten Stromlieferungen auf der Grundlage des Ersatzversorgungstarifs gemäß § 433 Abs. 2 BGB zu.
Für die in der Zeit vom 01.06.2011 bis 31.08.2011 erbrachten Lieferungen elektrischer Energie bestand ein Ersatzversorgungsverhältnisses gemäß § 38 Abs. 1 S. 1 EnWG, für die Zeit von 01.09.2011 bis 30.09.2011 erfolgten die Lieferungen aufgrund eines konkludent geschlossenen Versorgungsvertrags zum Grundversorgungstarif.
Den abgerechneten Umfang der gelieferten elektrischen Energie hat der Beklagte nicht substantiiert bestritten.
Die vom Beklagten behaupteten Gegenansprüche gegen die Klägerin bestehen nicht.

  1. Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Ausgleich der in Rechnung gestellten Stromlieferungen beruht auf § 433 Abs. 2 BGB (vgl. zur Anspruchsgrundlage BGH NJW 2014, 1951).
    a. Die Klägerin als zuständiger Grundversorger hatte den Beklagten in der Zeit vom 01.06.2011 bis 31.08.2011 gemäß § 38 Abs. 1 S. 1 EnWG im Rahmen der Ersatzversorgung mit elektrischer Energie versorgt. Unerheblich ist dabei, ob der Letztverbraucher Haushaltskunde ist. Voraussetzung für das Zustandekommen des Ersatzversorgungsvertrags ist nach § 38 EnWG lediglich, dass ein Letztverbraucher über das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck Energie bezieht, ohne dass dieser Bezug einer Lieferung oder einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, nachdem der Beklagte einen Liefervertrag zunächst nicht abgeschlossen hatte. Die weiteren Regelungen finden sich in der StromGW, die gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 auch die Bedingungen der Ersatzversorgung nach § 38 EnWG regelt. Danach kam zwischen der Klägerin und dem Beklagten gemäß § 2 Abs. 2 StromGVV für die Dauer von drei Monaten, also bis einschließlich 31.08.2011, ein Ersatzversorgungsvertrag zustande. Dies teilte die Klägerin dem Beklagten mit dem Schreiben vom 31.05.2011 (Anl. K 6) in Erfüllung der Vorgaben des § 2 Abs. 2 und Abs. 3 StromGVV ausführlich – unter Übermittlung eines Abdrucks der StromGW – mit und unterbreitete gleichzeitig das Angebot, nach Ablauf des Drei-Monats-Zeitraums eine Versorgung zu den Ersatzversorgungsbedingungen vorzunehmen. Darüber hinaus hat die Klägerin an den Beklagten mit dem Schreiben vom 31.05.2011 den Tarif und die zum Wechsel des Energielieferanten erforderlichen Maßnahmen bekannt gegeben.
    b. Nach dem Ablauf der dreimonatigen Dauer basierte die Lieferung elektrischer Energie durch die Klägerin auf einem Stromlieferungsvertrag zu den Ersatzversorgungsbedingungen.
    Der Vertragsschluss kam dadurch zustande, dass der Beklagte durch den fortdauernden Bezug elektrischer Energie auch nach dem 31.08.2011 das für den Ablauf der Ersatzversorgungsfrist im Schreiben vom 31.05.2011 eindeutig formulierte Vertragsangebot der Klägerin konkludent angenommen hatte.
    c. Für die Belieferung des Beklagten mit elektrischer Energie kann die Klägerin daher die sich nach dem Ersatzversorgungstarif ergebende Vergütung beanspruchen. Die Höhe des den Klageforderungen ausweislich der Rechnungen vom 02.09.2011 und vom 06.10.2011 zugrunde gelegten Tarifs hat der Beklagte nicht substantiiert bestritten.
  2. Die Höhe des Vergütungsanspruchs von 7.541,38 EUR ergibt sich aus den Rechnungen der Klägerin.
    Die durch Vorlage der Monatsabrechnungen belegten Verbrauchszahlen hat der Beklagte nicht substantiiert bestritten. Vielmehr hat der Beklagte auf der Grundlage dieser Verbrauchszahlen unter Ansatz des von der Fa. BBB eingeräumten Tarifs Zahlungen an die Klägerin geleistet. Die Verrechnung der vom Beklagten geleisteten Zahlungen auf die Rechnungen vom 05.07.2011, vom 02.08.2011 und vom 02.09.2011 hat der Beklagte gebilligt.
  3. Die geltend gemachten Gegenansprüche auf Schadensersatz aus vertraglicher Pflichtverletzung stehen dem Beklagten hingegen nicht zu. Die Klageforderung ist daher nicht durch Aufrechnung erloschen.
    Die Voraussetzungen für eine die geltend gemachten Schadensersatzansprüche begründende Pflichtverletzung der Klägerin hat der Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Eine der Klägerin zuzurechnende unberechtigte und unbegründete Ablehnung der Kündigung und Neuanmeldung der Fa. BBB zum 17.08.2011 durch Erklärung vom 25.08.2011 (vgl. E-Mail-Verkehr gemäß Anl. B 3 bis B 6) ist nach dem belegten Vorbringen des Beklagten nicht zugrunde zu legen. Dabei kann den vorgelegten Ausdrucken über die behaupteten per E-Mail abgegebenen Erklärungen der vom Beklagten behauptete Inhalt nicht entnommen werden. Namentlich ist eine Ablehnung der Netzanmeldung der Fa. BBB als neuer Lieferant durch die Klägerin nicht zu erkennen. Vor allem ergibt sich unter Berücksichtigung der sich aus § 20 StromGVV ergebenden Frist zur Kündigung des Ersatzversorgungsvertrags von einem Monat auf das Ende eines Kalendermonats kein Anhaltspunkt dafür, dass eine Versorgung durch die Fa. BBB, welche sich erstmal am 16.08.2011 an den Netzbetreiber gewandt hatte, vor dem 01.10.2011 zugelassen werden musste. Dementsprechend hatte offenbar die Fa. BBB selbst eine Anmeldung zum 01.10.2011 eingegeben, welche Klägerin gebilligt hatte, so dass auf deren Grundlage eine Versorgung des Beklagten durch die Fa. BBB erfolgen konnte. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in vertragswidriger, gesetzwidriger oder gar treuwidrige Art die Belieferung des Beklagten durch die Fa. BBB mit Strom verzögert hätte, können dem Beklagtenvorbringen nicht entnommen werden. Vielmehr hatte die Klägerin in dem Schreiben vom 31.05.2011 den Beklagten klar und deutlich auf die nach dem EnWG und der StromGVV vorgegebenen Regelungen und Fristen hingewiesen. Es hätte dem Beklagten oblegen, sich an die dort festgelegten Vorgaben zu halten, um zu einem früheren Zeitpunkt einen günstigeren Tarif für den Bezug elektrischer Energie zu erlangen.
  4. Die Durchsetzung der Vergütungsansprüche der Klägerin ist nicht durch die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung gehindert.
    Der Lauf der mit Rechnungszugang beginnenden dreijährigen Verjährungsfrist wurde durch Zustellung des Mahnbescheids gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB sowie durch Weiterbetreiben des Verfahrens mit Einzahlung des für die Durchführung des streitigen Verfahrens zu leistenden Gerichtskostenvorschusses am 02.12.2014 mit nachfolgender Anspruchsbegründung vom 23.12.2014 gehemmt. Der Betrieb des Verfahrens zunächst beim unzuständigen Landgericht Stuttgart hinderte den Eintritt der Hemmungswirkung nicht.
  5. Ob Einwendungen des Beklagten gemäß § 17 StromGW ausgeschlossen wären, kann damit dahin stehen.

II.

  1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91,281 Abs. 3 S. 2 ZPO.
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Unterschrift
Vorsitzender Richter am Landgericht
Verkündet am 23.04.2015

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