- Der Erlass einer auf Duldung der Sperrung der Stromversorgung gerichteten einstweiligen Verfügung stellt keine Vorwegnahme der Hauptsache dar.
- Durch eine Versorgungsunterbrechung übt das Versorgungsunternehmen lediglich das ihm zustehende Zurückbehaltungsrecht aus, um ein weiteres Anwachsen der Zahlungsrückstände zu verhindern.
LG Wuppertal Urt. v. 18.06.2015 Az. 9 S 66/15
ein Beitrag von Rechtsanwalt Konstantinos Paliakoudis – Stuttgart
Amtsgerichte neigen rechtsirrtümlich von gestellten Anträgen der Energieversorger auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, die Sperrung/den Ausbau des Zählers zu dulden, durch ein sog. unechtes Versäumnisurteil zurückzuweisen.
Hierzu wird von den Amtsgerichten argumentiert, die Antragstellerin (der Versorger) habe zwar nach § 19 Abs. 2 StromGVV einen Anspruch auf Unterbrechung der Grundversorgung, es bestehe jedoch kein Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Durch den Erlass der einstweiligen Verfügung würde der Anspruch auf Unterbrechung der Grundversorgung erfüllt und die Hauptsache vorweggenommen. Das Hauptsacheverfahren sei nicht auf Zahlung der Rückstände gerichtet, sondern ebenfalls in der Duldung des Zutritts zur Wohnung nebst Sperrung/Ausbau des Zählers. Der Antragstellerin sei es deshalb zuzumuten, ihren Anspruch aus § 19 Abs. 2 StromGVV im ordentlichen Klageverfahren geltend zu machen.
Diese Rechtsanwendung ist falsch.
Der Erlass einer auf Duldung der Sperrung der Stromversorgung gerichteten einstweiligen Verfügung bedeutet keine Vorwegnahme der Hauptsache. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob bei Bestehen eines Anspruchs auf Einstellung von Versorgungsleistungen dieser im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann. Teilweise wie von Amtsgerichten wird die Auffassung vertreten, dass die Unterbrechung von Versorgungsleistungen eine Vorwegnahme der Hauptsache darstelle, die nicht mit einer einstweiligen Verfügung verlangt werden könne.
Das Versorgungsunternehmen übt durch die Versorgungsunterbrechung jedoch lediglich das ihr zustehende Zurückbehaltungsrecht aus, um ein weiteres Anwachsen der Zahlungsrückstände zu verhindern. Zwar wäre auch ein Hauptsacheverfahren auf Unterbrechung der Versorgung durch Duldung der Sperrung des Zählers gerichtet. Diese Betrachtungsweise ist jedoch zu formal. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfügungsverfahren dient dazu, dass der Anspruchsinhaber nicht unter Umgehung des Hauptsacheverfahrens und unter Ausnutzung der erleichterten Voraussetzungen für den Erlass eines Titels im einstweiligen Verfügungsverfahren bereits eine Befriedigung erlangt. Befriedigung erlangt die Antragstellerin (der Energieversorger) jedoch nicht durch Sperrung der Versorgung, sondern durch Zahlung der Rückstände, zu deren Durchsetzung der Energieversorger sein Zurückbehaltungsrecht geltend machen will. Die Antragstellerin hat kein Interesse an einer Sperrung der Versorgung – im Gegenteil möchte sie diese ja weiterhin verkaufen -, sondern allein am Ausgleich der Rückstände. Aus diesem Grund kann auch im einstweiligen Verfügungsverfahren grundsätzlich eine Duldung der Versorgungsunterbrechung geltend gemacht werden (OLG Koblenz Az. 8 W 826/04, Beck-RS 2011,06299; Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 940, Rn. 8, »Energielieferung«, m.w.N.).
Nach Zahlung der Rückstände wird die Stromversorgung unverzüglich wieder aufgenommen. Wäre dies anders, so wäre der Antrag auf Unterbrechung der Versorgung wegen einer Vorwegnahme der Hauptsache unbegründet. Anlass zu der Vermutung, dass die Antragstellerin nach Zahlung der Rückstände nicht unverzüglich die Stromversorgung wieder aufnehmen werde, besteht nicht.
Zur Sicherstellung einer unverzüglichen Wiederaufnahme der Stromversorgung ist auszusprechen, dass der beantragte Ausbau des Zählers nur nötigenfalls zu erfolgen hat, falls eine Sperrung technisch nicht möglich ist.
© www.energierecht-blog.de