Entnahme von Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme aus dem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens – Amtsgericht Stuttgart-Bad-Cannstatt Urteil vom 24.02.2012 Az: 10 C 2378/11

§ 2 StromGVV/GasGVV/AVBWasserV/FerwärmeV:

Wer aus dem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, nimmt die Realofferte des Unternehmens durch sozialtypisches Verhalten an.

Vertragspartner wird, wer aufgrund seiner Verfügungsmacht über den Versorgungsanschluss die Leistung entgegennimmt (vgl. Palandt, BGB, 71. Auflage, Einf v § 145 Rdnr. 27 m.w.N.).

Urteil vom 24.02.2012 Amtsgericht Stuttgart-Bad-Cannstatt  Az: 10 C 2378/11

ein Beitrag von Rechtsanwalt Konstantinos Paliakoudis – Stuttgart

Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt

70372 Stuttgart

Az.: 10 C 2378/11

Verkündet am 24.02.2012

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In Sachen

Energieversorger

Klägerin

gegen

Beklagter S. ,

Beklagter

hat das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt durch den Richter am Amtsgericht G. am 24.02.2012 auf die mündliche Verhandlung vom 18.01.2012 für Recht erkannt:

  1. Das Versäumnisurteil vom 20.10.2011 wird aufrechterhalten.
  2. Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils durch sie beizutreibenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen und erbringt auch Leistungen der Grundversorgung im Raum X.

Der Beklagte schloss mit Wirkung ab 01.11.2008 einen Mietvertrag über eine Wohnung im 2. Obergeschoss des Gebäudes K. Str. in X.. Ab Beginn des Monats November 2008 zog der Beklagte in diese Wohnung ein und lebte anschließend mindestens ein bis zwei Monate dort. In dieser Zeit entnahm der Beklagte auch Strom aus dem Leitungsnetz durch Benutzung elektrischer Einrichtungen. Außer Streit steht, dass es an der Abnahmestelle für Strom betreffend die vorgenannte Wohnung keinen Vorvertrag mit der Klägerin als Energieversorgungsunternehmen gab.

Der Beklagte kündigte gegenüber der Klägerin einen (möglichen) Stromversorgungsvertrag nicht vor dem unstreitigen Vertragsende am 16.04.2010.

Mit Rechnungen vorn 25.06.2010 sowie 02.07.2010 (vgl. BI. 20 ff. d.A.) stellte die Klägerin dem Beklagten den Stromverbrauch für den Zeitraum vom 03.11.2008 bis einschließlich 16.04.2010 in Höhe von insgesamt 691,88 EUR in Rechnung.

Die Klägerin trägt vor, dass gem. § 2 Abs. 2 StromGVV ein Vertrag zwischen den Parteien durch die Entnahme von Strom durch den Beklagten in der streitgegenständlichen Wohnung zustande gekommen sei.

Es sei unüblich und zu bestreiten, dass der Beklagte mit seinem Vermieter einen Warmmietvertrag abgeschlossen habe. Im Übrigen könne dies auch dahinstehen, da ein entsprechender Vertrag lediglich das Innenverhältnis zwischen Vermieter und Mieter betreffe und keine Auswirkung auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien habe. Als Nebenforderungen begehrt die Klägerin die Zahlung von Mahnkosten, Verzugszinsen sowie Erstattung der Kosten infolge der vorgerichtlichen Einschaltung eines Rechtsanwalts.

Mit Versäumnisurteil vom 20.10.2011 (vgl. BI. 32 f. dA), dem Beklagten zugestellt am 22.10.2011, wurde der Beklagte zur Zahlung der klägerseits geltend gemachten rückständigen Stromkosten nebst Nebenforderungen verurteilt. Gegen dieses Versäumnisurteil legte der Beklagte mit Schreiben vom 03.11.2011, bei Gericht eingegangen am 04.11.2011, Einspruch ein.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil vom 20.10.2011 aufrecht zu erhalten.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 20.10.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bringt vor, dass Kunde der Klägerin im Sinne von § 2 StromGVV der Vermieter des Beklagten als Eigentümer des Grundstücks und Gebäudes gewesen sei. Er habe die streitgegenständliche Wohnung zu einer pauschalen Warmmiete gemietet.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2011 (vgl. BI. 67 ff. d.A).

Entscheidungsgründe

Auf den insgesamt zulässigen, insbesondere fristgerecht eingelegten Einspruch des Beklagten hin war das Versäumnisurteil vom 20.10.2011 aufrecht zu erhalten, da die Klage zulässig und begründet ist.

  1. Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein vertraglicher Zahlungsanspruch in Höhe von 691,88 EUR für die Belieferung mit Strom an der Abnahmestelle in der Wohnung im 2. Obergeschoss in der K. Straße 17 in S. für den Zeitraum vom 03.11.2008 bis 16.04.2010 zu.
  2. Zwischen den Parteien kam mit dem Einzug des Beklagten in die streitgegenständliche Wohnung und dem Beginn der Stromentnahme ab Anfang November 2008 ein stillschweigend geschlossener Vertrag über die Belieferung mit Strom an dieser Abnahmestelle zustande.

Denn wer aus dem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, nimmt die Realofferte des Unternehmens durch sozialtypisches Verhalten an. Vertragspartner wird, wer aufgrund seiner Verfügungsmacht über den Versorgungsanschluss die Leistung entgegennimmt (vgl. Palandt, BGB, 71. Auflage, Einf v § 145 Rdnr. 27 m.w.N.).

Nach den Umständen des vorliegenden Falls ist demnach aufgrund der Verfügungsgewalt des Beklagten über die Stromentnahmestelle in der von ihm ab Anfang November 2008 bewohnten Wohnung durch schlüssiges Verhalten ein Vertrag mit der Klägerin abgeschlossen worden. Zwar kommt es unter besonderen Umständen auch in Betracht, dass ein Energieversorgungsvertrag mit dem Grundstückseigentümer zustande kommt; dies kann vorliegend jedoch nicht angenommen werden. Denn bei einer vermieteten Wohnung findet typischerweise der Vertragsschluss mit dem Mieter der Wohnung statt, vor allem auch dann, wenn – wie offensichtlich vorliegend – ein Zwischenzähler vorhanden ist, aufgrund dessen der vermieteten Wohnung ein bestimmter Stromverbrauch exakt zugeordnet werden kann.

Das Angebot des Versorgungsunternehmens auf Abschluss eines (Grundversorgungs-)Vertrags richtet sich in diesem Fall nicht an den Eigentümer des Grundstücks, sondern an den jeweiligen Endabnehmer in der Mietwohnung. Dieses Angebot auf Abschluss eines Stromversorgungsvertrags hat der Beklagte mit dem Beginn der Entnahme von Strom in seiner Wohnung Anfang November 2008 angenommen.

Bis zum unstreitigen Vertragsende am 16.04.2010 lag keine Kündigung des Beklagten bezogen auf diesen Versorgungsvertrag vor.

  1. Die demnach der Klägerin für den Zeitraum von 03.11.2008 bis 16.04.2010 zustehende Vergütung für die erfolgten Stromlieferungen beläuft sich – der Höhe nach unstreitig – auf insgesamt 691,88 EUR entsprechend den Rechnungen vom 25.06. bzw. 02.07.2010.
  1. Die Nebenforderungen sind begründet gemäß der §§ 286, 280 Abs. 2, 288 BGB.
  1. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 S. 1 u. 2, 709 Satz 2 ZPO.

Gez.

Richter

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